DER HAMMER !

offener Brief an Roland Hamm, 1. Bevollmächtigter der IG Metall in Aalen/Schwäbisch Gmünd

10. August 2010

 

Lieber Genosse Roland Hamm,

angesichts der Berichte in den regionalen Medien darf man Dich wohl als designierten Spitzenkandidaten der Südwest-Linken zur Landtagswahl 2011 bezeichnen.

 Nachdem  der Landesausschuss dem Wunsch unseres Landessprechers Bernd Riexinger am 31.07. nicht folgen mochte und sich zu einer Art Nominierung nicht imstande sah, hat sich ersatzweise offenbar der Landesvorstand inzwischen in diese Richtung positioniert und Dich unter dem Vorbehalt ausstehender Zustimmung des Landesparteitages der Öffentlichkeit als die Nummer 1 des linken Personalangebots für das künftige baden-württembergische Landesparlament vorgestellt. Wenn alles nach Deinen und den Vorstellungen der Landesparteispitze funktioniert, wirst Du also in nicht ferner Zeit Mitglied des Landtages sein.

 Dieser Landtag verstand sich bisher als Freizeitparlament. Die Diäten waren relativ niedrig bemessen und es gehörte gleichsam zum Normalfall, dass Abgeordnete noch einer bezahlten Berufstätigkeit nachgingen. Das soll nun mit Beginn der nächsten Legislaturperiode anders werden. Als letztes Flächenland hat jetzt auch Baden-Württemberg ein Berufsparlament und Landtagsabgeordnete, die in dieser Funktion vollzeitbeschäftigt sind. Konsequenterweise wurden die Diäten nach oben angepasst und eine Reihe hier bisher nicht bekannter Funktionszulagen für Parlamentarier eingeführt.

 Warum belästige ich Dich mit solchen „Nebensächlichkeiten“ ?

 Ganz einfach: Weil wir aktuell mit dem Fall unseres Genossen und Kollegen Klaus Ernst zu tun haben, der nicht nur die Partei sondern die politisch interessierte Öffentlichkeit umtreibt.

 Du bist – wie Klaus Ernst es bis Juni war – Gewerkschaftssekretär und Geschäftsführer bzw. 1. Bevoll-mächtigter einer Verwaltungsstelle der IG Metall. Spätestens seit den Erklärungen, die Lothar Bisky zur Diskussion über die Einkommensgestaltung von Klaus Ernst am 31.07.2010 in der Zeitung  NEUES DEUTSCHLAND verbreiten ließ, ist allgemein bekannt, dass in dieser hauptamtlichen Tätigkeit bei der IG Metall  nicht schlecht verdient wird. Bisky meinte, Klaus Ernst dürfe es nach seiner Wahl zum Parteivorsitzenden nicht schlechter gehen und benötige daher monatliche Gesamteinkünfte von rund 13 000 Euro. Von Klaus Ernst war in Interviews letzte Woche zu vernehmen, dass er mit den erwähnten 13 000 Euro gar weniger habe als vorher in seiner Gewerkschaftsfunktion.

Es ist sicher nicht völlig abwegig, wenn davon ausgegangen wird, dass hinsichtlich der Einkünfte eines IGM-Bevollmächtigten in Schweinfurt (Klaus Ernst) und eines solchen in Aalen/Schwäbisch-Gmünd, der Du bist, keine gravierenden Unterschiede bestehen dürften. Das betrifft auch Tantiemen und Annehmlichkeiten aus Aufsichtsratsfunktionen, die selbst nach Erfüllung der gewerkschaftlichen Abführungspflicht in durchaus nennenswertem Umfang übrigbleiben.

 Vor diesem Hintergrund stellt sich natürlich die Frage, ob Du für den Fall Deiner Wahl in den Landtag Anspruch auf Ausgleich für denkbare Verluste an Einkünften nach dem Muster von Klaus Ernst zu erheben beabsichtigst.

Die STUTTGARTER NACHRICHTEN haben mich mit den Worten „Das ist der nächste Ernst-Fall“ durchaus richtig zitiert.

 Nach erwähntem Zeitungsbericht bist Du der Frage ausgewichen. Du wolltest Dich zu diesen Dingen erst äußern, „wenn der Bär erlegt ist“ und Du den Einzug in den Landtag geschafft haben solltest.

 Wie ich finde, haben aber sowohl die Partei als auch die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse daran, von Dir zu erfahren, ob Du Dich ggf. vollumfänglich dem Mandat eines Volksvertreters zuwenden  oder die Abgeordnetentätigkeit quasi nur nebenbei unter Beibehaltung Deiner bisherigen beruflichen Einkommensquellen ausüben wirst – wie etwa die Kollegen und Genossen MdBs Werner Dreibus und Klaus Ulrich sowie Klaus Ernst bis zu seiner Wahl zum Parteivorsitzenden. Nebenbei:  Alle drei IG Metall-Bevollmächtigte !

 Abseits von Rechtsfragen, die sich in diesen Zusammenhängen selbstverständlich nicht stellen, war  unser Kreisverband politisch stets der Meinung, dass ein Mandat im Deutschen Bundestag, dem europäischen Parlament und den Landtagen den  ganzen Menschen in Vollzeitarbeit verlangt und grundsätzlich keine Nebentätigkeiten verträgt – und seien sie noch so lukrativ. Entsprechende Anträge an den Landesparteitag befassten sich eingehender mit der Problematik, wurden aber jeweils abgelehnt.

Zuletzt allerdings mit einer relativ knappen Mehrheit, weil offenbar nicht wenige Delegierte geschnallt hatten, dass unsere Glaubwürdigkeit vor die Hunde geht, wenn sich lautstarke Kritik an Doppel- und Dreifachverdienern in Abgeordnetensesseln auf Union, FDP und SPD  beschränken während gutbezahlte IG Metall-Sekretäre in der Linksfraktion insoweit ausgeblendet werden.

 Rückblickend erklärt sich angesichts aktueller Debatte über das verschwurbelte und lange Zeit als quasi geheime Verschlusssache behandelte Bezahlsystem in unserer Partei die Vehemenz, mit der seinerzeit insbesondere von Bernd Riexinger und seiner Umgebung gegen die erwähnten Anträge unseres Kreisverbandes gearbeitet wurde. Offenbar existierte bereits der Plan, Schlüsselpositionen der Südwest-Linken ausgesuchten, gutverdienenden Gewerkschaftern aus gewachsenen WASG-Zusammenhängen vorzubehalten und dafür zu sorgen, dass die betreffenden Kollegen dabei auf keinen Fall  wirtschaftliche Einbußen erleiden.

 Kann man machen, dann aber bitte nicht so verdeckt, dass dies mancher in der Partei als geradezu hinterhältig empfindet, wenn es – wie jetzt im Fall Klaus Ernst – plötzlich nicht länger verborgen bleiben kann.

 Transparenz ist angesagt – und zwar vor der Kür zum Spitzenkandidaten.

Schließlich möchte ich mir noch eine kurze Anmerkung zu Deiner in den STUTTGARTER NACHRICHTEN transportierten Anspielung erlauben.

Richtig,  „aus einer abgesicherten Altersposition heraus“  lässt sich „immer sehr gut meckern“. In der Regel ist man halt mit zunehmendem Alter erfahrener, was für die Begründung von Kritik, die Du als Meckerei aufzufassen scheinst, durchaus von Nutzen sein kann.

Zudem ist ebenfalls klar, dass eine „abgesicherte Altersposition“  im Normalfall die Gier dämpft und nebenbei unabhängig macht von Anpassungszwängen bis hin zu Kriechertum oder Schleimerei.

Kurz: Der „abgesicherte Alte“ ist nicht auf gutsherrliches Wohlwollen übergeordneter Funktionäre oder die Zuneigung von Buddies bestimmter Seilschaften angewiesen.

 In der Tat, ich war schon da, wo andere erst noch hin wollen. Meine Altersbezüge bestehen zum Teil auch aus Abgeordnetenversorgung. Vielleicht ist Dir aber neu, dass die Versorgungsbezüge nach Abgeordnetenrecht vollumfänglich auf die gewerkschaftliche Betriebsrente angerechnet werden.

Grundsatz der Gesamtversorgung nennt man das.

Damit profitiert von meiner Abgeordnetenversorgung ausschließlich die gewerkschaftliche Versorgungs-einrichtung. 

Muss zwar nicht sein, wollte ich Dir aber bei der Gelegenheit mal näherbringen.

 Ich möchte Dir auch nicht vorenthalten, dass es exakt meine  gegenüber den Genossinnen und Genossen unserer Grundorganisation offengelegte Einkommenssituation war, die mich dazu veranlasste, ihrem Wunsch nicht nachzukommen als sie mich wiederholt baten, hier als Landtagskandidat anzutreten. Für mich stand immer fest, nicht bei Partei oder Fraktion um ein Zusatzsalär betteln zu müssen, damit mein wirtschaftliches Niveau nach einer denkbaren Wahl in den Landtag gehalten werden kann.

 Ein Ernst-Fall ist bereits einer zuviel, lieber Roland. Klare Verhältnisse sind gefragt!

Ansonsten wird sich der Eindruck verfestigen, dass insbesondere für Gewerkschafter im Politmilieu kein Geldhahn so versteckt sein kann, dass sie ihn nicht entdeckten.

 

Mit sozialistischem und kollegialem Gruß

Jürgen Angelbeck

stv. Kreisvorsitzender - Kreisverband Ravensburg            

 

 

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